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LKW: Ladungssicherung

LKW-Fahrer sind nur selten geschult ihre Ladung ordnungsgemäß zu sichern – deswegen kommt es immer wieder zu schwersten Unfällen.

Vergangener Donnerstag:
In Ostbayern findet eine großangelegte Kontrolle auf Autobahnen statt. Auf einem Parkplatz nahe Regensburg inspizieren gut ein Dutzend Polizisten zusammen mit Fachleuten LKW. Schwerpunkt: Ladungssicherung.Pures Chaos herrscht auf diesem LKW.Bahnschwellen aus Beton wild aufeinander geworfen. Teils höher als die Bordwand. Ohne jede Sicherung.Die Beamten wollen es genau wissen: Der LKW wird gewogen. 50 Kilometer ist der Fahrer schon so unterwegs. Ziel: Regensburg. Sicherheitsbedenken hatte er nicht.Das Ergebnis der Polizei fällt niederschmetternd aus.

Johann Scherübl, Polizeihauptmeister Regensburg: „Die Hinterachse: Da haben sie um 34,8 % überladen. Der Bayrische Bußgeldkatalog bzw. der deutsche Bußgeldkatalog hört bei 30 % auf. Der Gesetzgeber kann sich gar nicht vorstellen, dass man so überladen kann. Jetzt müssen sie sich was einfallen lassen, d.h. abladen …“Zur Unterstützung der Kontrolle angereist ist Uwe Schieder, ein Experte für Ladungssicherung vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft.Kurze Zeit später ist ein Kollege des Fahrers zum Umladen eingetroffen.Uwe Schieder beobachtet die Aktivitäten mit großer Skepsis. Trotz langjähriger Erfahrung in diesem Bereich immer wieder erschreckt er über die Zustände auf deutschen Straßen.

Uwe Schieder, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft: „Das ist eine Katastrophe. Das ist schlichtweg eine Katastrophe. Der Mensch, der dieses Auto fährt, gefährdet sein Leben und vor allem, was fast noch schlimmer ist, das Leben anderer Leute. Anderer Leute Leben. Das ist eine Unverschämtheit ein Fahrzeug so in den Verkehr zu bringen. Das ist blanker Wahnsinn. Aber das ist der normale Wahnsinn, den sie jeden Tag auf unseren Straßen haben.“Ein spektakulärer Unfall – Ende November nahe Wesel: Durch eine Vollbremsung versucht ein LKW-Fahrer eine Kollision mit einem Schulbus zu verhindern.

Bernd Störmer, Leiter Verkehrsdienst Wesel: „Aufgrund der Vollbremsung ist diese Ladung in Bewegung geraten, denn sie war nicht vernünftig gesichert und hat die Bordwand des Anhängers durchschlagen, ist dann durch das Führerhaus geschossen und ist kurz vor dem Hinterreifen des Busses zum Stillstand gekommen. Im Bus befanden sich zum Zeitpunkt des Unfalls 58 Schulkinder.“Die Eisenwelle hatte ein Gewicht von 16,6 Tonnen. Wie durch ein Wunder kommt der Fahrer mit leichten Verletzungen davon. Die Schulkinder entgehen knapp einer Katastrophe.Ein Blick ins Internet: Jeden Monat stellt ein privater Verein Fotos ins Netz, die Unfälle zeigen, deren Ursache mangelhafte Ladungssicherung ist. Tonnenschwere Stahlrollen, Betonteile. Eine Gefahr auf unseren Straßen. Und schon lange häufen sich die Warnungen, dass die Folgen unterschätzt werden.Aber in der offiziellen Bundesstatistik taucht das Problem praktisch nicht auf. Die Unfallursache vor Ort wird oft nicht erkannt, so Karl-Heinz Brueggemann von der Polizei-Führungsakademie in Münster. So gibt es bis heute kein zuverlässiges Zahlenmaterial,(schlimmes lassen aber Detailstudien erahnen.).

Karl-Heinz Brueggemann, Polizei-Führungsakademie in Münster: „In der Unfallstatistik ist die mangelhafte Ladungssicherung mit einem Prozent verzeichnet, d.h. ein Prozent der Verkehrsunfälle mit Güterkraftfahrzeugen und Personenschäden sind dort offiziell auf mangelhafte Ladungssicherung zurückzuführen. Spezielle Untersuchungen, wie z.B. in Köln und Bremerhaven haben allerdings ergeben, dass der realistische Wert wahrscheinlich bei zwanzig Prozent liegt. D.h. ein Fünftel der Unfälle mit Personenschäden sind im Güterverkehrsbereich auf mangelhafte Ladungssicherung zurückzuführen.“Auch deswegen wird der Kontrolldruck inzwischen erhöht. Viele Fahrer versuchen durchaus ihre Ladung zu sichern, doch oft unzureichend.

Uwe Schieder: „Super-Sicherung. Oder? – Angerissener Gurt. Riesen Ladelücke. So ein Blick über den Gurt sagt schon eigentlich sehr viel über die Moral, die Sicherungs-Moral seines Fahrers aus. Wenn das hier schon so angefuselt ist und da oben und wenn so ein Gurt 10% angerissen ist, sind 70 – 80 % seiner Haltefähigkeit hinfällig.“Eigentlich sind solche Gurte, wenn sie keine Beschädigungen aufweisen, gute Sicherungsmaterialen. Doch eingerissen müssen sie sofort entsorgt werden. Kontrolle, ob Ersatz-Gurte vorhanden sind.

Uwe Schieder: „Der Gurt, den können sie gleich hier lassen und in den Mülleimer stopfen. Das ist der erste Grund, das ist der zweite Grund warum er im Eimer ist, der dritte Grund, das ist der vierte Grund. Und dann ein Knoten, den können sie auch gleich in den Mülleimer … Das ist das tollste, was man machen kann.“Auf dem LKW ein weiteres Risiko: die Ladung ist nicht bündig am Fahrzeug verzurrt, hat sogenannte Ladelücken.

Johann Scherübl, Polizeihauptmeister Regensburg: „Jetzt bleibt das Fahrzeug solange stehen, ist das sichergestellt, solange bis die Ladung ordnungsgemäß, verkehrssicher verstaut ist. Der Fahrer des Fahrzeugs, er hat keine Sicherheitsgurte da, also er hat überhaupt nicht die Möglichkeit hier an Ort und Stelle sein Fahrzeug zu sichern. Er muss sich ans Telefon hängen, seinen Chef verständigen. Der muss ihm die Gurte bringen. Und solange bleibt der hier stehen.“Einzige Konsequenz: Vierzig Euro Bußgeld für den Fahrer und den Halter. Sowie jeweils ein Punkt in Flensburg.Solche Strafen wirken kaum abschreckend. Verkehrsexperten, wie Karl-Heinz Brueggemann, fordern schon lange härtere Strafen.

Karl-Heinz Brueggemann, Polizei-Führungsakademie: „Die Bußgeldhöhen sind völlig unzureichend. Wenn man das einmal vergleicht zwischen dem Gefahrenpotential, was sich auf der Straße bewegt und was die Bußgeldandrohung ist. Beträge von 50, 60, 70 Euro werden in den Unternehmen aus der Kaffeekasse bezahlt. Wenn ich zehn mal fahre und einmal erwischt werde, dann habe ich einmal 70 Euro bezahlt. Neun mal habe ich das ohne geschafft, ohne Bußgeld. Das heißt, der finanzielle Vorteil ist immens in diesem Bereich.“Wieder auf der A-93. Zwei schwere LKW werden aus dem Verkehr gezogen. Die Beamten haben einen geschultem Blick für Problemfälle. Auch diesmal stößt der Fachmann auf Fehler bei der Beladung.

Uwe Schieder: „Gehen wir hierher, gehen dahinten um den Träger herum, den ersten Senkrechten, den wir kriegen können und haken den, wie auch immer, so wieder ein. Das müssen wir dann mal sehen, wie wir den einhaken.“

Fahrer: „Könnte der jetzt, rein theoretisch, könnte der ja nach oben weggehen, weil ich drücke den ja jetzt nicht runter? Also, oder müsste ich das zusätzlich machen?“

Uwe Schieder: „haben sie Angst, dass der ihnen wegfliegt?“

Fahrer: „Nein“

Uwe Schieder: „Na also, und warum wollen sie ihn runterdrücken? Hier genau das gleiche. Sie haben auch gedacht, festhalten ist gut. Sie haben gutes Ladungssicherungsmaterial. Der will nach da weg. Nach vorne kann er ja nicht.“

Fahrer: „…über Kreuz nehmen…“

Uwe Schieder: „Genauso! Sie nehmen ihn über Kreuz und halten ihn richtig fest.Er hat den guten Willen, er macht eine gute Sicherung. Er versucht eine gute Sicherung zu machen. Macht aber dabei ein paar grundlegende Fehler, die ich früher ohne Ausbildung auch gemacht hätte, die jeder machen würde ohne guteAusbildung.“Fehlendes Wissen – das Hauptproblem. Dieses Unternehmen in Gießen schult seine Fahrer schon seit Jahren regelmäßig.In Theorie, aber auch an Hand praktischer Beispiele. Fahrtests sollen die Gefahren schlecht gesicherter Ladung verdeutlichen.

Sicherheits-Trainer Michael Barfuß: Michael Barfuß, Sicherheits-Trainer:  „Die Hölzer sind wie Geschosse geworden. Man hat ganz besonders die zwei hier vorne gesehen, wie das Hartholz hier aufs Holz ist, wie die noch mal beschleunigt worden sind, wie die nach vorne sind. Und so was kann zu verheerenden Unfällen führen, wenn so was von den Fahrzeugen runterfällt oder durch die Bordwände marschiert.“

Fahrer 1: „Ich muss mich darauf verlassen können, wenn ich in die Bremsen steige, dass das nicht von hinten kommt und mich nieder macht da vorne.“

Fahrer 2: „Es gibt immer wieder andere Ladegüter und Spezialsachen, also meiner Meinung nach lernt man nicht aus. Und man sollte auch immer wieder eine Auffrischung der Schulung durchführen.“Die Straßenverkehrsordnung schreibt keine obligatorische Ausbildung zum Thema: Ladungssicherung vor. Auf Anfragebeim Bundes-Verkehrs-Ministerium heißt es, die EU bereite eine Richtlinie für eine verbindliche Ausbildung der Berufskraftfahrer vor.Reine Augenwischerei: Denn die wenigsten LKW-Fahrer in Deutschland sind Berufskraftfahrer.Deswegen fordern Fachleute eine umfassende Ausbildung für die gesamte Branche.

Uwe Schieder: „Die Grundforderung ist Ausbildung für jeden, der mit dem Transport von solch schwere Ladung zu tun hat. Der Verlader, der Spediteur, der Disponent, der diese Fahrzeuge disponiert und auch das geeignete Fahrzeug an die richtige Ladestelle schicken muss, und natürlich der Fahrer. Eine zwingendeAusbildung, für jeden, der damit zu tun hat, in punkto Ladungssicherung, damit alle begreifen, was zu tun ist und jeder seiner Verantwortung gerecht werden kann.“Geringe Strafen, keine verlässlichen Zahlen und eine verheerende Unkenntnis über die Gefahr mangelhaft gesicherter Ladung.Nachdem die Politik das Problem jahrelang nicht wahrgenommen hat, heißt es inzwischen aus dem Bundesministerium: Die Fragen der Sicherheit von LKW-Ladung werden aufmerksam beobachtet.Währenddessen fahren auf unseren Straßen tickende Zeitbomben.

zuletzt aktualisiert: 20. Mai 2003 | 22:29

Quelle: FAKT

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